

Um in Münster auf sich aufmerksam zu machen und sich zu vernetzen, nutzten viele ‚queere‘ Gruppierungen Zeitungen, Zeitschriften oder Rundschreiben, die zur Kommunikation
und Identitätsstiftung beitrugen. Hier konnten sich die unterschiedlichsten Gruppen, unabhängig vom Wohlwollen der lokalen Presse, selbst repräsentieren und definieren.
Der flotte Dreier
Unter diesem provokanten Titel brachten die AStA-Schwulenreferate von FH, KFH und WWU in den 1990er Jahren eine Zeitschrift für (schwule) Studierende heraus. Darin fanden Interessierte Tipps und Orientierungshilfen, die auf homosexuelle Lerngruppen, Veranstaltungen und nicht zuletzt auch Szenekneipen hinwiesen. Die Mischung aus Freizeitangeboten und Tipps für den Studienalltag gab Leser*innen die Möglichkeit, sich im Umfeld ihrer Ausbildungsstätten und auch in ihrer häufig gerade erst gewonnenen Selbständigkeit mit Gleichgesinnten treffen und Freundschaften schließen zu können.
Die Krätze
Die Krätze, die seit 1986 erschien, gehörte zu einer der ersten Münsteraner Lesbenzeitschriften und wurde vom Lesbenreferat des AStA der WWU herausgegeben. Ihre
Leser*innen fanden hier Buchempfehlungen, Informationen über Veranstaltungen mit lesbische Inhalten oder wurden über relevante Themen und Ereignisse informiert. Beispielhaft dafür ist ein Beitrag, in dem es um teilweise diskriminierende Reaktionen auf einen Infostand des Lesbenreferats am Prinzipalmarkt ging. Dieser und ähnliche
Berichte problematisierten respektlose Übergriffe gegenüber Lesben und forderten zu öffentlichem Engagement und mehr Selbstrepräsentation auf.
Lesben-Info
Mit dem Lesben-Info erschien ab 1975 das erste Medium, das Frauen ermöglichte, sich mit der lesbischen Community in Münster und darüber hinaus zu vernetzen, über relevante
Veranstaltungen informiert zu werden und eigene Erfahrungen auszutauschen. Es erschien in Form eines Rundbriefes, den Leser*innen auch außerhalb von Münster abonnieren konnten. Herausgegeben wurde es von der ersten lesbischen Aktionsgruppe Münsters, den ‚Homosexuellen Frauen Münster‘ (HFM), die damit bundesweit als erste eine solche Initiative ergriffen haben.
Zauberflöte
Die erste Ausgabe der Zauberflöte erschien im Juni 1993. Sie löste das KCM-INFO und den Flotten Dreier ab. Sie verstand sich als Medium von Themen sowohl für
schwule wie für lesbische Homosexuelle. Als Plattform, über die queere Personen Kontakte knüpfen und Informationen zu Veranstaltungen einholen konnten, wies sie auf Protestaktionen hin, wie am 17. Mai 1993 auf eine Demonstration von Lesben auf dem Prinzipalmarkt.
Rosa Fahne
Zuvor war auch bereits die Rosa Fahne erschienen (1989 bis 1991), ebenfalls mit dem Anspruch ein „Magazin für Lesben & Schwule“ zu sein. Sie wurde als Informationsheft
des KCM herausgegeben und sollte „einen Beitrag zur schwuLesbischen Kommunikation“ leisten. Vor allem Aktionen und Veranstaltungen des KCM, aber auch vieler anderer Gruppen in Münster fanden hier ein Forum. Berichte über Veranstaltungen aus anderen Städten boten zusätzlich die Möglichkeit der Vernetzung über die eigene münsteraner Szene hinaus.
WLN
Die Westfälisch Lesbischen Nachrichten (wln) des Autonomen Lesbenreferats der WWU wurden 1993 gegründet. Nach einem Eklat mit dem Aschendorff-Verlag, bei dem dieser wegen der vermeintlichen Namensgleichheit zur WN eine Klage anstrengte, mussten die wln Strafe zahlen und sich ab März 1999 umbenennen. Seitdem nannte sie sich: WLN – Wild, lesbisch, neu. Mit Artikeln, wie dem über eine Lesben-Demonstration in Heidelberg, machten sie auf die Präsenz lesbischer Frauen aufmerksam. Mehr als 2.000 Lesben waren 1994 dort in einer großen Aktion auf die Straße gegangen, um für ihre Rechte zu protestieren.
Um die Auseinandersetzungen zwischen der WN und der WLN ging es in einem Bericht des Bürgerfunk-Radios DonnaWettert. Diese Frauen-Radio-Sendung äußerte sich regelmäßig auch zu queeren Themen in Münster und darüber hinaus. Die Sendungen liefen zwischen 1992 und 2002 bei Antenne Münster.
Über die eigene Presse konnten sich in Münster queere Menschen austauschen und ihre Themen bekannt machen. Darüber hinaus stießen die Aktivist*innen auch auf bereitwillige Unterstützung in anderen alternativen Medien. In der etablierten Tagespresse sah sich die queere Community zunächst hingegen kaum oder gar nicht repräsentiert.
Knipperdolling
Der Knipperdolling war ein links-alternatives Stadtblatt, das von 1975 bis 1981 in Münster erschien. Die Zeitschrift verstand sich als Alternative zur etablierten
Tagespresse, die Themen eine Informationsplattform gab, die nicht im Mainstream lagen. In einer Ausgabe aus dem Jahr 1976 wird auch von der queeren Community berichtet: Über ihre Themen und ihr Engagement gegen Diskriminierungserfahrungen.
Westfälische Nachrichten (WN)
1993 findet sich in der Zauberflöte ein längerer Artikel zur fehlenden Berichterstattung der WN zu queeren Themen. So sei über Aids nur dann in der WN berichtet worden, wenn nicht explizit auf Sexualität hingewiesen wurde. Zudem wurde über jegliche Veranstaltungen der Aids-Hilfe wie z. B. die „Safer-Sex Gesprächsabende“ oder über „schwulepolitische Ereignisse“ geschwiegen.
Münstersche Zeitung (MZ)
In der Zeit, in der Beschwerden gegen die fehlende Berichterstattung der WN lauter wurden, konnte man in der MZ, der zweiten großen Tageszeitung Münsters, bereits einiges zum Thema Aids, zur Aids-Hilfe und zu den Aktivitäten queerer Gruppen in Münster lesen. Dass mittlerweile auch die etablierte Presse in Münster über diese Themen berichtete, bedeutete für die queere Community, dass auch betroffene Menschen außerhalb der Community Informationen erhielten und dadurch ggf. auch Anschluss finden konnten. Zudem hoffte man auf diese Weise auch auf ein größeres Verständnis durch eine breitere Aufklärung.
Übersicht
Vorstellung und Navigation durch die Ausstellung
Heteronormativität – Eine Irritation zum Einstieg
Historische Orientierung zu den 1970er bis 1990er Jahren
Verschnarchte Provinz vs. Coole Stadt?
Die Homophile Studentengruppe Münster (HSM)
Die Gruppe Homosexuelle Frauen Münster (HFM)
Anne Henscheid – Eine Pionierin des lesbischen Aktivismus in Münster
Konflikte, Identitäten und Fraktionsbildung innerhalb der Bewegung
Homosexualität, Queerness und Kirche
Medien der queeren Bewegung
Biographische Einblicke in queere Lebensgeschichten
Zu dieser Ausstellung als Teil einer queeren Geschichte der Stadt
